Hugo von Hofmannsthal. « Notices pour un Xenodoxus » (1920-1925). Du néobaroque à la crise de la modernité
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Hugo von Hofmannsthal expressed his wish to adapt the neo-Latin Tragicomedy Cenodoxus (1602-1609) by the Jesuit playwright Jacob Bidermann on the very day his new version of the morality play Jedermann (Everyman) was staged, on 26 August 1920. Hofmannsthal did not use the original Latin version, but the German translation (1635) by Joachim Meichel. From early on, Hofmannsthal set his work in the vicinity of 16th-century historical/literary figures, in particular Agrippa and Faust. However, his reading of the Judgment play of Radstadt, of Styrian origin, inspired him to give the Christian tragedy an optimistic ending, in the tradition of the late-medieval miracle plays.Josef Nadler’s theses on Catholic Baroque literature in Southern Germany and Austria had a great impact on Hofmannsthal’s choice of subject. However, he intended to tackle once again, and in a novel way, the crisis that his country and the European continent as a whole were going through in the wake of the First World War. In his play, Hofmannsthal makes withering comments about the harmful impact of technological development on the moral values of the community, hence his warnings against interventions on the human body. The distinction, which in his view is absolute, between true and false science, is based on E. Hello’s philosophical and theological views and on H. G. Wells’ Science Fiction Novel The Island of Dr. Moreau, which reflects the entanglement of man and animal. Thus, Hofmannsthal expresses his anguish at the sight of a world spiralling “out of joint”. The reason why his dramatic sketch remained unfinished lies first and foremost in the almost unlimited number of gathered Notes. But even more crucial was Hofmannsthal’s renunciation to produce a relatively clear plot line at an early stage of the work, because of his use of the Benjaminian melancholy. The “laziness of the heart”, consubstantial with acedia, is indeed contrary to the vital impulse that pushes the protagonist to act without any rest. It is the diametrically opposite of Benjamin’s postulate of the sovereign as a character unfit for action.
Gleich nach der Erstaufführung seiner Moralität Jedermann am 26. August 1920 in Salzburg brachte Hofmannsthal seine Absicht zum Ausdruck, die neulateinische comico-tragoedia (1602/1609) des Jesuitendramatikers J. Bidermann für das Repertoire der Festspiele zu bearbeiten. Vorliegender Aufsatz zeigt zuerst, dass Hofmannsthal nicht die Originalfassung, sondern die Verdeutschung (1635) des ursprünglichen Textes durch J. Meichel heranzog. Früh verortete der Dichter seine im Entstehen begriffene Version in die Nähe bedeutender historischer bzw. literarischer Figuren, unter denen Agrippa und Faust zu nennen wären. Die Lektüre des steirischen Radstädter Gerichtsspiels bewog ihn jedoch rasch, dem christlichen Trauerspiel einen optimistischen Ausgang zu geben, indem er dem Sturz in die Hölle des Protagonisten die konziliante Lösung des spätmittelalterlichen Mirakelspiels entgegensetzte. Unbestreitbar wichtig war bei der Wahl des Stoffes der Einfluss der Nadlerschen Thesen über die Literatur des katholischen Barock und deren Fortleben in Süddeutschland und Österreich. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass Hofmannsthal mit diesem dritten Flügel seiner geistlichen Trilogie dem Geist der Festspiele erneut – und diesmal origineller – seinen Tribut entrichten wollte. Noch deutlicher war sein Anliegen, sich auf diesem Hintergrund mit der Krise seines Landes und der des europäischen Kontinents nach dem 1. Weltkrieg auseinanderzusetzen. Die Gefahren der modernen Technik in Hinsicht auf die höchsten ethischen Werte wurden von ihm besonders scharf gebrandmarkt : Davon zeugen seine Warnungen vor allen möglichen Eingriffen der Medizin und Chirurgie in den menschlichen Körper. E. Hellos philosophisch-theologische Positionen und H.G. Wells’ The Island of Dr. Moreau liegen der in Hofmannsthals Augen zwingenden Unterscheidung von wahrer und falscher Wissenschaft zugrunde. Dadurch formalisierte der Dichter seine Angst vor einer Welt, die ihm zufolge „aus den Fugen“ geraten zu sein schien.Grund für das Unvollendetsein des Werkes war vordergründig die schier uferlose Vielfalt der heterogensten Notizen. Entscheidender war dennoch der Verzicht auf die relativ klare Linie der geplanten Handlung, der durch den Rückgriff auf Benjamins Melancholieverständnis ausgelöst wurde. Die „Trägheit des Herzens“, die der Kategorie der acedia wesensmäßig innewohnt, entpuppte sich als unvereinbar mit dem scheinbar unerschöpflichen Lebensdrang, der Xenodoxus zur rastlosen Tat animiert und mit dem Charakter des laut Benjamin „handlungsunfähigen“ Herrschers des barocken Trauerspiels schroff kontrastierte.
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